Öffent­li­ches Impf­pro­gramm Influ­en­za: Opti­mie­rungs­po­ten­zi­al vor­han­den

Vor allem in den Berei­chen Logis­tik und Kom­mu­ni­ka­ti­on soll­te ange­setzt wer­den

Wien 13. Febru­ar 2024. Die­sen Win­ter gab es erst­mals ein öffent­li­ches Impf­pro­gramm für Influ­en­za (ÖIP) für alle Alters­grup­pen. Was grund­sätz­lich ein wich­ti­ger Schritt in Rich­tung Impf­pro­phy­la­xe und Erhö­hung der Durch­imp­fungs­ra­te gewe­sen wäre, hat sich in der Pra­xis als noch nicht ganz aus­ge­reif­tes Pro­gramm erwie­sen. Um dies für die kom­men­de Sai­son zu ver­bes­sern, soll­te aus Sicht des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler (ÖVIH) in eini­gen Berei­chen, wie z. B. Logis­tik oder Kom­mu­ni­ka­ti­on, ange­setzt wer­den. Außer­dem soll­ten die beschaff­ten Impf­stoff­kon­tin­gen­te erwei­tert und mit dem Imp­fen ver­stärkt an Infek­ti­ons­hot­spots wie Schu­len ange­setzt wer­den.

Ziel­grö­ße: Durch­imp­fungs­ra­te muss sich an WHO- und EU-Emp­feh­lun­gen ori­en­tie­ren

Die WHO und der Euro­päi­sche Rat emp­feh­len seit Jah­ren eine Durch­imp­fungs­ra­te von 75 Pro­zent in vul­ner­ablen Grup­pen wie Älte­ren oder Men­schen mit Vorerkrankungen.[1] Öster­reich erreicht die­se Ziel­grö­ße nicht ein­mal annä­hernd. „Als eines der wohl­ha­bends­ten Län­der der Welt mit einem guten öffent­li­chen Gesund­heits­sys­tem muss es unser Anlie­gen sein, zukünf­tig eine Durch­imp­fungs­ra­te im Sin­ne der WHO/EU zu errei­chen“, stellt ÖVIH Prä­si­den­tin Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el fest.

Dis­tri­bu­ti­ons­mo­dell ver­bes­sern und Impf­stoff-Bestell­sys­tem für imp­fen­de Ärzte:innen opti­mie­ren

In der Influ­en­za-Sai­son 2023/2024 gab es durch Ein­füh­rung eines all­ge­mei­nen Impf­kon­zep­tes im Rah­men des ÖIP Ände­run­gen bei der Durch­füh­rung der Influ­en­za-Imp­fung, sowohl für Ärzt:innen als auch für die Men­schen, die sich imp­fen las­sen woll­ten. So konn­ten die am ÖIP teil­neh­men­den Ärzt:innen die Influ­en­za-Impf­stof­fe zum Bei­spiel direkt als „Ordi­na­ti­ons­be­darf“ bestel­len. Für Impf­wil­li­ge war dies ein nie­der­schwel­li­ger Zugang, da ihnen der Weg zur Apo­the­ke erspart wur­de. Aller­dings konn­ten die Ärzt:innen im Unter­schied zu den ver­gan­ge­nen Jah­ren kei­ne Impf­stoff­wahl tref­fen bezie­hungs­wei­se den Impf­stoff für den jewei­li­gen Impf­ling nicht mehr frei wäh­len, da pro Alters­grup­pe nur eine Impf­stoff­sor­te zur Ver­fü­gung gestellt wur­de. „Dies stellt neben der man­geln­den Wahl­frei­heit ein Ver­sor­gungs­ri­si­ko im Fall eines Lie­fer­eng­pas­ses dar“, betont Dr. Chris­toph Jandl, Gene­ral­se­kre­tär des ÖVIH. Im Rah­men eines Impf­pro­gram­mes sei es beson­ders wich­tig, dass die Impf­stof­fe recht­zei­tig bei der Ärz­tin oder beim Arzt ein­tref­fen. Lei­der war es dies­mal so, dass die durch die Ärzt:innen ange­for­der­ten Impf­stoff­do­sen nicht recht­zei­tig zur Ver­fü­gung gestellt wur­den, obwohl die­se früh­zei­tig und in aus­rei­chen­der Men­ge von den Impf­stoff-her­stel­len­den Unter­neh­men aus­ge­lie­fert wur­den. „Auch die­ses logis­ti­sche Pro­blem muss drin­gend für die nächs­te Influ­en­za-Impf­sai­son gelöst wer­den“, so Jandl.

Ein wei­te­res Pro­blem war, dass es unter­schied­li­che Abruf­sys­te­me pro Bun­des­land im Rah­men des ÖIP gege­ben hat. Es kam hier oft­mals zur Ver­wir­rung, da unklar war, wo und wie die Impf­stof­fe für die Ordi­na­tio­nen zu bestel­len waren. „In der letz­ten Influ­en­za-Impf­sai­son gab es neun unter­schied­li­che Model­le, das soll­te bun­des­weit ver­ein­heit­licht wer­den“, so Jandl. Die Kon­tin­gen­tie­rung der Impf­stoff­men­gen pro Bun­des­land haben mit­un­ter auch dazu geführt, dass in eini­gen Bun­des­län­dern ein Bestell­stopp „aus­ge­ru­fen“ wur­de, obwohl es in ande­ren Bun­des­län­dern noch aus­rei­chend Impf­stoff­men­gen gab. Um dem zukünf­tig vor­zu­beu­gen, wären eine ver­bes­ser­te Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den aus­lie­fern­den Stel­len im Bun­des­land und den imp­fen­den Ärzt:innen sowie ein fle­xi­ble­res Kon­tin­gent sinn­voll. 

Nie­der­schwel­li­ger Zugang mit Tücken

„Grund­sätz­lich begrü­ßen wir als Ver­tre­tung der Impf­stoff-her­stel­len­de Unter­neh­men alle Maß­nah­men in Rich­tung nie­der­schwel­li­ger Zugang zum Imp­fen, wie die Aus­lie­fe­rung der Impf­do­sen im Rah­men des ÖIP direkt in die Arzt­pra­xen“, betont ÖVIH-Vize­prä­si­den­tin Mag.a Sig­rid Has­lin­ger. „Zum nie­der­schwel­li­gen Zugang gehört es auch, dass Impf­ter­mi­ne leicht zu erhal­ten sind bezie­hungs­wei­se, dass die Ärzt:innen die Imp­fung auch durch­füh­ren kön­nen.“ Die Anzahl der Ärzt:innen, die am ÖIP teil­ge­nom­men haben, sei aller­dings zu gering gewe­sen, um von einem flä­chen­de­cken­den Influ­en­za-Impf­an­ge­bot zu spre­chen, was den Zugang für Impf­wil­li­ge erschwert habe. „Es muss drin­gend ein Anreiz für die Teil­nah­me am Impf­kon­zept geschaf­fen wer­den, um eine höhe­re Anzahl an teil­neh­men­den Ärzt:innen zu gewähr­leis­ten und um das Impf­kon­zept nie­der­schwel­li­ger zu gestal­ten“, for­dert Has­lin­ger.

Auf­grund feh­len­der Kom­mu­ni­ka­ti­on, Miss­ver­ständ­nis­sen und Ver­zö­ge­run­gen bei der Aus­lie­fe­rung der Impf­stof­fe konn­ten Impf­ter­mi­ne bei imp­fen­den Ärzt:innen außer­dem oft nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Das hät­te wie­der­um zu Ver­trau­ens­ver­lus­ten sowohl bei den Impf­lin­gen als auch bei den Ärzt:innen geführt, hält man beim ÖVIH fest. Um das Ver­trau­en der Bevöl­ke­rung in Imp­fun­gen gene­rell und in die Orga­ni­sa­to­ren des Influ­en­za-Impf­pro­gramms auf­recht­zu­er­hal­ten bezie­hungs­wei­se zu stär­ken, müss­ten hier zukünf­tig eini­ge Ver­bes­se­run­gen statt­fin­den.

Alter­na­ti­ve Impf-Orte

„Neben der Imp­fung bei nie­der­ge­las­se­nen Ärzt:innen soll­ten Impf­pro­gram­me auch öfter als bis­her in Betrie­ben und in Lan­des- und Bun­deschu­len statt­fin­den kön­nen“, betont ÖVIH-Gene­ral­se­kre­tär Jandl. Gera­de Schu­len sei­en beson­ders wich­tig, da Kin­der als Haupt­ver­brei­ter der „ech­ten Grip­pe“ gelten.[2] Alter­na­ti­ve Impf-Orte wie Senio­ren­ein­rich­tun­gen, Reha-/Ge­sund­heits­vor­sor­ge­ein­rich­tun­gen, etc. soll­ten aus sei­ner Sicht eben­falls eva­lu­iert wer­den. Außer­dem wür­den sich bestehen­de Impf­stra­ßen und Impf­stel­len, die für die COVID-19-Imp­fun­gen oder ande­re Imp­fun­gen genutzt wer­den, auch für die Influ­en­za-Imp­fun­gen anbie­ten.

Breit ange­leg­te Impf­auf­klä­rungs­kam­pa­gnen not­wen­dig

Zur Impf­be­reit­schaft tra­gen auch breit ange­leg­te Impf­auf­klä­rungs­kam­pa­gnen bei. „Wich­tig ist hier, dass Impf­auf­klä­rung ziel­grup­pen-spe­zi­fisch statt­fin­det. Die Auf­klä­rungs­kam­pa­gne muss über einen brei­ten Medi­en­mix erfol­gen, also vie­le Kanä­le umfas­sen und auch die gesam­te Impf­sai­son durch­lau­fen. Nur so kön­nen die Men­schen tat­säch­lich dazu ani­miert wer­den, sich imp­fen zu las­sen“, erläu­tert Gal­lo-Dani­el.

Doku­men­ta­ti­on im e‑Impfpass ver­bes­sern

Die Erfas­sung der Influ­en­za-Imp­fung im e‑Impfpass ist prin­zi­pi­ell gere­gelt. Der Zugang zur Impf­pass­ein­tra­gung soll­te daher bei allen Ärzt:innen mög­lich und jede statt­ge­fun­de­ne Influ­en­za-Imp­fung im e‑Impfpass ein­ge­tra­gen sein. Bei der Ein­tra­gung der Influ­en­za-Imp­fung in den e‑Impfpass scheint die­sen Win­ter aller­dings eini­ges nicht opti­mal gelau­fen zu sein. Die Kom­ple­xi­tät des Erfas­sungs­pro­zes­ses dürf­te oft­mals zu fal­schen Doku­men­ta­tio­nen geführt haben. Es gibt außer­dem nach wie vor eine Dis­kre­panz zwi­schen aus­ge­lie­fer­ten und in den e‑Impfpass ein­ge­tra­ge­nen Dosen. Damit sich dies nicht wie­der­holt, wünscht sich der ÖVIH eine Ver­ein­fa­chung der Doku­men­ta­ti­on für die imp­fen­den Ärzt:innen und einen Zugang zum e‑Impfpass für alle Insti­tu­tio­nen, in denen Imp­fun­gen statt­fin­den kön­nen (z. B. Betrie­be oder Schu­len).

Die Umset­zung eines öffent­li­chen Influ­en­za-Impf­pro­gramms ist ein wich­ti­ger Schritt, um die Durch­imp­fungs­ra­te in Öster­reich nach­hal­tig zu erhö­hen und das The­ma Impf­prä­ven­ti­on in Öster­reich für alle Alters­grup­pen zu eta­blie­ren. Die Erfah­run­gen aus der ver­gan­ge­nen Sai­son soll­ten jedoch drin­gend genutzt wer­den, um das Sys­tem für die nächs­te Sai­son wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und sich dem WHO-/EU-Ziel anzu­nä­hern. Der Öster­rei­chi­sche Ver­band der Impf­stoff­her­stel­ler steht ger­ne für eine Zusam­men­ar­beit zur Ver­bes­se­rung des Pro­gramms in Hin­blick auf die Impf­stoff­ver­tei­lung, Impf­stoff­dis­tri­bu­ti­on und im Rah­men von Public Pri­va­te Part­ner­ships bei Impf­auf­klä­rungs­kam­pa­gnen zur Ver­fü­gung.

Refe­ren­zen:

[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32009H1019, zuletzt abge­ru­fen am 07.02.2024.

[2] Impf­plan Öster­reich 2023/2024, Ver­si­on 1.0 vom 05.09.2023

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Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
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