Eine FSME-Erkrankung kann langfristige Auswirkungen haben
Umso wichtiger ist eine korrekte aufgefrischte Schutzimpfung
Wien 03. April 2024. Es ist Frühling und schon haben die ersten Zecken zugestochen. Für den einen oder die andere wird ein solcher Stich leider gravierende Auswirkungen haben – nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig. Eine Studie aus Deutschland mit über 500 diagnostizierten FSME-Patient:innen zeigt, dass etwas mehr als die Hälfte drei Monate nach Krankheitsbeginn immer noch mit den Folgen zu kämpfen hat. Auch wenn diese im weiteren Verlauf abnehmen, sind sie bei einem kleinen Teil auch noch nach 18 Monaten präsent. Einschränkungen im Job, Arbeitsausfälle sowie Frühpensionierungen inklusive. Dabei gäbe es seit vielen Jahrzehnten eine wirksame Schutzmaßnahme: die FSME-Impfung. Wer regelmäßig aufgefrischt ist, muss sich über die FSME und ihre Auswirkungen keine Sorgen machen.
FSME: häufiger als man denkt
2020 wurden in Europa fast 4.000 FSME-Fälle gemeldet . Allein in Österreich werden jedes Jahr zwischen 100 und 250 hospitalisierte Erkrankungsfälle registriert. „Die vielen leichten Erkrankungen werden oft gar nicht als FSME diagnostiziert und sind da noch gar nicht dabei“, erklärt Priv. Doz.in Dr.in Bettina Pfausler, leitende Oberärztin an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Grundsätzlich reicht die Bandbreite der Erkrankungen von einem Gefühl der Sommergrippe bis zu hin zu schweren Entzündungen des Gehirns und des Rückenmarks. „Glücklicherweise verläuft die Erkrankung selten ganz schwer, meist als Gehirnhautentzündung. Bei schweren Verläufen, insbesondere bei Infektionen des Rückenmarks können die Symptome einer Kinderlähmung ähneln, weswegen man hier auch von einer „Polio-like“ Erkrankung spricht“, betont die Neurologin. „Oft müssen Betroffene bei dieser Erkrankungsform langfristig – auch zu Hause – künstlich beatmet werden. Die Sterblichkeit liegt in diesem Fall bei 30 %, eine vollständige Erholung ist meist nicht mehr möglich.“
Schnelle Erholung bleibt oft Wunschdenken
In einer Studie mit mehreren Hundert diagnostizierten FSME-PatientInnen in Deutschland wurde außerdem festgestellt, dass eine rasche, komplette Erholung nach einer FSME-Erkrankung nicht nur bei den ganz schweren Verlaufsformen oft Wunschdenken bleibt. Nicht einmal ganz die Hälfte gab in Telefoninterviews nach drei Monaten an, sich bereits vollständig erholt zu haben. Nach 18 Monaten waren es immerhin zwei Drittel (67,3 %). Personen mit einem milden Akutverlauf erholten sich laut Studie besser als solche mit moderatem oder schwerem Verlauf (85,4 %, 69,4 % und 44,9 %). Kinder hatten nur in seltenen Fällen nach 18 Monaten noch Folgeerscheinungen. Wer an Begleiterkrankungen litt, hatte ebenfalls schlechtere Karten, wieder vollständig zu genesen. „Das deckt sich mit unseren Erfahrungen aus dem klinischen Alltag“, berichtet Pfausler. „Und betrifft auch den Zusammenhang mit dem Alter. Je älter jemand ist – vor allem ab dem 50. Lebensjahr – desto schwerer ist in vielen Fällen sowohl der akute als auch der langfristige Verlauf.“
Fatigue bleibt am häufigsten
Fatigue (anhaltende Müdigkeit und tiefe Kraftlosigkeit) – ein Symptom, das man auch von COVID-19 und anderen viralen Erkrankungen kennt – ist laut Studie das häufigste Symptom in der Akutphase (91 %), gefolgt von Kopfschmerzen und Störungen der Balance. Auch allgemeine Schwäche und Konzentrationsstörungen sind häufig. Selbst nach 18 Monaten berichteten immer noch 17 % der Betroffenen über Fatigue, 13 % über Konzentrationsdefizite und allgemeine Schwäche, 12 % über Muskelschmerzen und ebenfalls 12 % über Gleichgewichtsstörungen. Das sogenannte Post-Enzephalitis-Syndrom kam dabei bei Erwachsenen in jeder Form und zu jedem Beobachtungszeitpunkt drei bis zehn Mal so häufig vor wie bei Kindern.
Hohe Kosten für die Gesellschaft
Auch die Gesellschaft leidet unter den FSME-Erkrankungen und ihren Folgen. Die meisten Angestellten in der Studie benötigten zusätzlich zu den Tagen, die sie im Spital verbrachten, noch einen langen Krankenstand. Einige Patient:innen mussten sogar in Frühpension gehen, weitere 9,1 % der Erkrankten im Angestelltenverhältnis planten dies aufgrund der Folgeerscheinungen noch zu tun. Fast ein Drittel berichtete über negative Auswirkungen von FSME auf die Arbeit, über 40 % davon mussten ihre Arbeitszeit reduzieren, 22,1 % ihre Position oder den Arbeitgeber verändern. Fast die Hälfte klagte über kognitive Einschränkungen, Fatigue und eine Verschlechterung der Feinmotorik. Auch in der Schule gab es FSME-bedingte Probleme. Fast ein Viertel beklagte negative Auswirkungen auf die Schulleistungen. Ein Schüler musste sogar ein Schuljahr wiederholen.
Impfung schützt
„Das alles lässt sich verhindern“, betont Neurologin Pfausler. „Das Einzige, das man tun muss, ist, sich impfen zu lassen und rechtzeitig zur Auffrischung zu gehen. Alle fünf Jahre bis zum Alter von 60, alle drei Jahre danach.“ Eine Titerbestimmung sei nicht sinnvoll, da die Aussagekraft ähnlich wie bei COVID-19 äußerst begrenzt sei. „Wir mussten schon Personen mit FSME im Spital behandeln, deren Impftiter kurz vorher noch als ausreichend hoch bezeichnet worden war.“
Referenzen:
https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/Tick-borne-encephalitis-annual-epidemiological-report-2022.pdf, zuletzt abgerufen am 19.3.2024.
https://www.ages.at/mensch/krankheit/krankheitserreger-von-a-bis‑z/fsme, zuletzt abgerufen am 19.3.2024.
Nygren TM, Pilic A, Böhmer MM, Wagner-Wiening C, Wichmann O, Hellenbrand W. Recovery and sequelae in 523 adults and children with tick-borne encephalitis in Germany. Infection. 2023 Oct;51(5):1503–1511.
Rückfragehinweis:
Mag.a Uta Müller-Carstanjen
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