Imp­fun­gen kön­nen Anti­bio­ti­ka-Ver­schrei­bun­gen sen­ken

Auch Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen kön­nen damit vor­ge­beugt wer­den

Wien 7. Dezem­ber 2023. Anti­bio­ti­ka kön­nen Leben ret­ten. Aber bes­ser ist: Man braucht sie erst gar nicht. Natür­lich lässt sich nicht aus­schlie­ßen, dass man irgend­wann in die Situa­ti­on kommt, Anti­bio­ti­ka zu benö­ti­gen. Die Wahr­schein­lich­keit dafür lässt sich aber redu­zie­ren — unter ande­rem durch Imp­fun­gen. Dafür gibt es zwei Wege: den direk­ten und indi­rek­ten. Das bedeu­tet, dass sich bestimm­te bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen, die mit Anti­bio­ti­ka behan­delt wer­den müss­ten, durch Imp­fun­gen direkt abwen­den las­sen. Außer­dem kön­nen Imp­fun­gen gegen vira­le Erkran­kun­gen sowohl die vira­le Infek­ti­on als auch eine poten­zi­el­le bak­te­ri­el­le Super­in­fek­ti­on als Kon­se­quenz des geschwäch­ten Immun­sys­tems ver­hin­dern. Auch am Pro­blem der gegen Anti­bio­ti­ka resis­ten­ten Kei­me wird gear­bei­tet. Dazu gibt es bereits eini­ge Impf­stoff-Kan­di­da­ten in der For­schung.

Anti­bio­ti­ka: Fluch und Segen zugleich
„Wenn man sie braucht, recht­zei­tig bekommt und die Infek­ti­on damit schnell in den Griff bekommt, dann sind Anti­bio­ti­ka ein Segen“, meint Mag.a Renée Gal­lo-Dani­el, Prä­si­den­tin des Öster­rei­chi­schen Ver­ban­des der Impf­stoff­her­stel­ler (ÖVIH). „Aber nicht immer klappt das so ein­fach. Manch­mal wer­den Anti­bio­ti­ka zu spät ver­ord­net und mit­un­ter wir­ken sie nicht mehr, weil die betref­fen­de Per­son mit einem resis­ten­ten Keim infi­ziert ist.“ Wie so oft in der Medi­zin gel­te auch hier das Mot­to „Vor­beu­gen ist bes­ser als hei­len“. „Imp­fun­gen wer­den in die­sem Zusam­men­hang kom­plett unter­schätzt, ihr Wert wird in Hin­blick auf Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen nicht gese­hen“, erläu­tert Gal­lo-Dani­el. „Dabei wis­sen wir von vie­len Impf­stof­fen, dass sie den Ein­satz von Anti­bio­ti­ka deut­lich redu­zie­ren kön­nen.“ Das gel­te nicht nur für Impf­stof­fe gegen bak­te­ri­el­le Infek­tio­nen, son­dern auch für sol­che, die gegen vira­le Erre­ger gerich­tet sind. „Man könn­te hier auch von einem essen­zi­el­len Zusatz­nut­zen von Impf­stof­fen spre­chen“, so die ÖVIH-Prä­si­den­tin.

Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen wer­den welt­weit zum Pro­blem
Was uns oft nicht bewusst ist: Jedes Mal, wenn Anti­bio­ti­ka ein­ge­setzt wer­den, för­dert dies die Bil­dung von Resis­ten­zen. Emp­find­li­che Bak­te­ri­en wer­den ver­nich­tet, wäh­rend die resis­ten­ten über­le­ben und sich wei­ter ver­meh­ren kön­nen. Prin­zi­pi­ell ist es so, dass anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­te Erre­ger dort vor­kom­men, wo vie­le Anti­bio­ti­ka ein­ge­setzt wer­den.

„Wäh­rend wir in Öster­reich im inter­na­tio­na­len Ver­gleich noch eine Insel der Seli­gen sind, weil es bei uns noch ver­hält­nis­mä­ßig wenig Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen (AMR) gibt, sind sie welt­weit bereits im Vor­marsch“, berich­tet Mag.a Sig­rid Has­lin­ger, Vize­prä­si­den­tin des ÖVIH. „In der EU/E­WR-Regi­on ist die gesund­heit­li­che Belas­tung auf­grund von Infek­tio­nen im Zusam­men­hang mit Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen mitt­ler­wei­le ver­gleich­bar mit jener von Influ­en­za, Tuber­ku­lo­se und HIV/AIDS zusam­men­ge­rech­net.“ Imp­fun­gen sei­en ein wich­ti­ges, aber bis­her stark unter­schätz­tes Mit­tel, um Anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­zen ein­zu­däm­men, betont sie. „Durch das Ver­hin­dern von Infek­ti­ons­krank­hei­ten wir­ken sie auf mehr­fa­che Wei­se: Sie ver­hin­dern in vie­len Fäl­len die Erkran­kung an sich, sie beu­gen Sekun­där- oder Super­in­fek­tio­nen vor, die durch die Infek­ti­on begüns­tigt wer­den, und sie redu­zie­ren die Trans­mis­si­on der Patho­ge­ne in der Bevöl­ke­rung. All das führt dazu, dass Anti­bio­ti­ka unter Umstän­den nicht not­wen­dig sind und weni­ger oft falsch oder zu viel ein­ge­setzt wer­den.“

Nach­ge­wie­se­ne Wirk­sam­keit
Für vie­le Impf­stof­fe ist die Wirk­sam­keit hin­sicht­lich AMR-Reduk­ti­on mitt­ler­wei­le klar nach­ge­wie­sen. So hat zum Bei­spiel die Ein­füh­rung der Pneu­mo­kok­ken-Imp­fung bei Kin­dern in den USA zu einer signi­fi­kan­ten Reduk­ti­on von anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­ten, inva­si­ven Pneu­mo­kok­ken-Infek­tio­nen geführt. Das Auf­kom­men von Impf­stof­fen gegen Hae­mo­phi­lus influ­en­zae Typ B hat nicht nur die Anzahl der Erkran­kungs­fäl­le dras­tisch redu­ziert, son­dern auch das Auf­tre­ten von anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­ten Stäm­men. Die vor allem in Öster­reich unge­lieb­te Influ­en­za-Imp­fung hat eben­so weit­rei­chen­de posi­ti­ve Effek­te: Sie redu­ziert den Ein­satz von Anti­bio­ti­ka bei geimpf­ten Per­so­nen um bis zu 64 %. Ande­re Bei­spie­le für Impf­stof­fe, die den Anti­bio­ti­ka­ver­brauch redu­zie­ren, sind Impf­stof­fe gegen Rota­vi­ren, Vari­zel­len (Feucht­blat­tern) und das Den­gue-Fie­ber. „Für Impf­stof­fe wie jene gegen COVID-19 oder RSV erwar­ten wir ähn­li­che Ergeb­nis­se in Zukunft“, erläu­tert Dr. Chris­toph Jandl, Gene­ral­se­kre­tär des ÖVIH.

For­schung an Impf­stof­fen gegen resis­ten­te Kei­me
„Lei­der gibt es schon vie­le Kei­me, gegen die Anti­bio­ti­ka bereits jetzt nicht mehr wir­ken“, fährt Jandl fort. „Um auch die­se in den Griff zu bekom­men, arbei­ten Mit­glieds­un­ter­neh­men von Vac­ci­nes Euro­pe an spe­zi­fi­schen Impf­stof­fen gegen genau die­se Erre­ger. Der­zeit gibt es 15 Impf­stoff-Kan­di­da­ten in Ent­wick­lung, die anti­bio­ti­ka­re­sis­ten­te Bak­te­ri­en der soge­nann­ten WHO Prio­ri­ty Patho­gens List zum Ziel haben.“ Die­se Lis­te beinhal­tet 12 Grup­pen von Bak­te­ri­en, die für die mensch­li­che Gesund­heit beson­ders gefähr­lich sind.

Nur ver­ab­reich­te Impf­stof­fe wir­ken
„Zuge­las­se­ne Impf­stof­fe sind wirk­sam und effek­tiv, um Erkran­kun­gen vor­zu­beu­gen und vor Infek­tio­nen zu schüt­zen, aber sie kön­nen nur ihr vol­les Poten­ti­al ent­wi­ckeln, wenn sie in der Pra­xis ankom­men und ver­impft wer­den“, betont ÖVIH-Prä­si­den­tin Gal­lo-Dani­el. „Was wir brau­chen, ist ein umfas­sen­des Impf­kon­zept für alle in Öster­reich leben­den Per­so­nen mit einem kon­se­quen­ten Maß­nah­men­plan für die Umset­zung. Nur so kön­nen wir die Durch­imp­fungs­ra­ten erhö­hen und die Men­schen vor schwe­ren Krank­hei­ten bewah­ren. Als ÖVIH unter­stüt­zen wir die Poli­tik dabei mit allen Mit­teln, die uns zur Ver­fü­gung ste­hen.“.

Refe­ren­zen:

https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/Grundwissen/Grundwissen_inhalt.html, zuletzt abge­ru­fen am 5.12.2023

Vac­ci­nes Euro­pe, Vac­ci­nes Euro­pe White Paper on the role of vac­ci­na­ti­on in the fight against anti­mi­cro­bi­al resis­tance Novem­ber (AMR)2023

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Mag.a Uta Mül­ler-Car­stan­jen
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