Bekannte und neue Indikationen werden erforscht
Wien 5. Dezember 2023. Auch nach COVID-19 geht die Impfstoffforschung in großem Tempo weiter. Im jüngst publizierten Bericht des europäischen Dachverbandes der Impfstoffhersteller Vaccines Europe werden 103 Impfstoffkandidaten aufgelistet, die derzeit geprüft werden. Die meisten davon zielen auf Erwachsene ab, viele sind Weiterentwicklungen bestehender Impfstoffe, ein guter Teil nimmt aber auch Krankheiten ins Visier, gegen die es noch keine Impfstoffe gibt. Ein wichtiges Forschungsgebiet sind außerdem Impfstoffe, die dazu beitragen, Antibiotikaresistenzen zur reduzieren.
Impfstoffe als wichtiger Teil der Bewältigung gesundheitlicher Herausforderungen
Die Bandbreite der Impfstoffkandidaten, die derzeit von Impfstoffherstellern in Europa untersucht wird, ist groß: Von 103 potenziellen zukünftigen Vakzinen in der sogenannten “Forschungspipeline” fokussieren 83 hauptsächlich auf den Erwachsenenbereich beziehungsweise die alternde Bevölkerung, 15 zielen auf den Schutz vor antibiotikaresistenten Keimen ab, etwa 60 sind Weiterentwicklungen bestehender Impfstoffe und 16 Impfstoffkandidaten sind als Reiseimpfstoffe konzipiert. „Nach wie vor besonders wichtig ist die Forschung an Impfstoffen gegen COVID-19 und Influenza, teilweise auch in Form von Kombinationsimpfstoffen“, berichtet Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH). Bemerkenswert ist außerdem, dass 42 Prozent der Impfstoffkandidaten auf Krankheiten abzielen, gegen die es bisher keine Impfstoffe gibt. Dazu gehören unter anderem Borrelien- (Lyme Disease) und Epstein-Barr-Infektionen.
Weiterentwicklungen und neue Ansätze
Auch die Arbeit an Indikationen, in denen bereits Impfstoffe zugelassen sind, geht weiter. „Hier geht es darum, Kombinationsimpfstoffe anzubieten, innovativere Darreichungsformen zu entwickeln, die Verabreichung zu erleichtern und damit die Akzeptanz von Impfungen zu erhöhen, sowie Impfstoffe für andere Altersgruppen weiterzuentwickeln“, erläutert Mag.a Sigrid Haslinger, Vizepräsidentin des ÖVIH. „Weiters wird versucht, mehr Impfstämme als bisher in einen Impfstoff zu verpacken, um ein breiteres Schutzspektrum in einer Indikation anzubieten. Außerdem forscht man an neuen Impfstoff-Technologieplattformen, die an einem anderen Bestandteil des Antigens ansetzen.“ Beispiele für derartige Weiterentwicklungen sind Vakzine gegen COVID-19, HPV, Dengue-Fieber, Malaria oder RSV.
Viele Entwicklungsschritte seit 2022
Während die Anzahl der Impfstoffkandidaten insgesamt ungefähr gleich geblieben ist, hat sich seit dem letzten Bericht 2022 einiges verändert. 39 neue Kandidaten wurden ins Programm aufgenommen, 18 sind im Entwicklungsprozess weiter vorangeschritten – unter anderem gegen das Herpes-simplex- oder das Zika-Virus. 13 Impfstoffe sind keine Kandidaten mehr, sondern wurden zugelassen, und zwar in den Indikationen COVID-19, Dengue-Fieber, Ebola und RSV. 16 Kandidaten sind aus dem Entwicklungsprogramm wieder ausgeschieden, auch das ist ein ganz normaler Schritt in der Impfstoffforschung.
Paradigmenwechsel bei Impfprogrammen dringend notwendig
„Bis vor wenigen Jahren hat man Impfungen hauptsächlich als wichtige Schutzmaßnahme für Kinder angesehen“, erklärt ÖVIH-Generalsekretär Dr. Christoph Jandl. „Heute ist klar, dass Impfen eine lebenslange Angelegenheit ist. Je nach Alter und Lebenssituation sind andere Impfungen notwendig.“ Das spiegelt sich auch in der Forschung wider. 83 Vakzinkandidaten haben Erwachsene im Fokus, bei 32 geht es um Kinder. „Wichtig ist, dass wir diesen Paradigmenwechsel auch ins Bewusstsein der Bevölkerung bringen“, betont Jandl. „Es geht nicht um Kinder- oder Erwachsenenimpfungen, sondern sowohl um das eine als auch um das andere. Um Infektionskrankheiten durch den Einsatz von Impfungen in den Griff zu bekommen, braucht es Impfprogramme für alle Altersgruppen“, ergänzt Gallo-Daniel. „Wir müssen dabei auch an den Gemeinschaftsschutz denken. Je höher die Durchimpfungsraten in einer Indikation sind, desto eher können wir in vielen Indikationen Herdenimmunität aufbauen und damit auch jene schützen, die keine Impfungen erhalten können.“
Die meisten Impfungen müssen -– wie im Österreichischen Impfplan vorgesehen –- immer wieder aufgefrischt werden. Auch hier wird an Verbesserungen gearbeitet, zum Beispiel an innovativen Darreichungsformen oder an Kombinationsimpfstoffen, um die Anzahl der verabreichten Impfungen zur reduzieren. Ganze 38 Impfstoffkandidaten sind in diesem Bereich angesiedelt.
Starker Fokus auf respiratorische Erkrankungen
Gerade um diese Jahreszeit merkt man es deutlich: Respiratorische Erkrankungen sind enorm häufig und müssen dementsprechend noch besser bekämpft werden. 63 Impfstoffkandidaten werden derzeit in diesem Bereich getestet. Hauptindikationen sind COVID-19, Influenza- Parainfluenza und RSV.
Antibiotikaresistenzen durch Impfungen bekämpfen
Infektionen verursacht durch arzneimittelresistente Keime (AMR) werden weltweit zunehmend zum Problem. Sie führen zu längeren Krankhausaufenthalten, steigenden medizinischen Kosten und einer erhöhten Sterblichkeit. Bis 2050 könnten jedes Jahr 10 Millionen Menschen an AMR sterben. Außerdem könnte AMR jährlich bis zu einer Milliarde US Dollar an Kosten verursachen. „Impfstoffe sind wirksam, bevor sich Bakterien zu vermehren beginnen. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit der Ausbreitung resistenter Mutationen verringert“, erläutert ÖVIH-Vizepräsidentin Haslinger den Zusammenhang mit Impfstoffen. „Impfstoffe, die Virusinfektionen verhindern, können außerdem dazu beitragen, den Einsatz von Antibiotika zu senken, indem sie die damit verbundenen sekundären bakteriellen Superinfektionen verhindern und/oder, indem sie fehlerhafte Verschreibungen reduzieren.“ Mittlerweile gibt es sogar 15 Impfstoffkandidaten, die auf bereits antibiotikaresistente Bakterien abzielen.
Die letzte Gruppe der in Entwicklung befindlichen Impfstoffe ist jene der sogenannten infektionsassoziierten Krebsimpfstoffe. Hier gibt es sowohl präventive (vorbeugende) als auch kurative (heilende) Forschungsansätze.
Gesamtkonzept notwendig
„Viele Impfstoffe gegen die unterschiedlichsten Krankheiten sind bereits verfügbar, weitere werden folgen. Was zählt, ist, dass diese Impfstoffe auch verimpft werden, denn nur so können sie effektiv schützen. Dafür braucht es ein Gesamtkonzept für alle Altersgruppen“, betont Gallo-Daniel. „Wir brauchen Aufklärungskampagnen, einen niederschwelligen Zugang zu Impfungen und eine entsprechende Finanzierung von Impfkonzepten für alle Altersgruppen. Wir freuen uns, dass im Rahmen des Finanzausgleichs angekündigt wurde, dass es zusätzliche 90 Millionen Euro für Impfprogramme für alle in Österreich lebende Personen geben wird. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.“
Rückfragehinweis:
Mag.a Uta Müller-Carstanjen
FINE FACTS Health Communication
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