Hochrisikobabys durch passive Immunisierung geschützt — Impfstoffkandidaten in der Pipeline
Wien, 13. Dezember 2022. Die Expert:innenwarnungen haben sich bewahrheitet: Eine starke RSV*-Welle fällt mit einer Influenza-Epidemie und der COVID-19-Pandemie zusammen. Aktuell bringt RSV vor allem die Kinderabteilungen der Spitäler unter Druck. Jeden Tag werden dort weitere erkrankte Kinder mit dem Virus aufgenommen. Während es gegen Influenza und COVID-19 wirksame und effektive Impfstoffe gibt, die vor einem schweren Verlauf schützen, ist das bei RSV noch nicht ausreichend der Fall. Aktuell können nur Risikobabys durch eine passive Immunisierung vor den Folgen des Virus geschützt werden. Doch das könnte sich bald ändern: Mehrere pharmazeutische Unternehmen haben Impfstoffkandidaten in der Pipeline, das Entwicklungsprogramm ist teilweise schon weit fortgeschritten.
Bereits Oktober haben ECDC, WHO und EU gemeinsam davor gewarnt, dass eine Co-Zirkulation von COVID-19 und Influenza den Druck auf die Spitäler und die Personen im Gesundheitssystem erhöhen könnte. Außerdem haben sie befürchtet, dass eine zusätzliche, starke RSV-Zirkulation den Druck noch weiter steigern könnte. Genau das ist jetzt eingetreten. „Die Patient:innen und das österreichische Gesundheitssystem, wie auch jene anderer EU-Länder, bekommen die Auswirkungen nun zu spüren“, bringt Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH), die Situation auf den Punkt.
Viele RSV-Erkrankungen
Mehrere Kinderstationen in Österreich sind derzeit aufgrund der vielen RSV-Fälle bereits ausgelastet oder kurz davor, ausgelastet zu sein. Die Ordinationen der Kinderärzt:innen sind voll. Laut Expert:innen ist der Gipfel allerdings noch gar nicht erreicht. Sie befürchten, dass die Situation durchaus noch problematisch werden könnte. Bei sehr kleinen Kindern kann eine RSV-Erkrankung nämlich besonders schwer verlaufen und rasch zu Atemschwierigkeiten, sogar zu Atemnot führen. Im schlimmsten Fall müssen die Kinder sogar künstlich beatmet werden.
Schätzungen zufolge infizieren sich in Österreich etwa 54.600 Kinder im ersten Lebensjahr mit RSV, davon erreicht das Virus bei 11.000 bis 22.000 Kindern die tiefen Atemwege, 1.100 Kinder müssen hospitalisiert werden.
„Die weltweiten Fallzahlen unterstreichen diese Problematik“, betont ÖVIH-Vizepräsidentin Mag.a Sigrid Haslinger. „Laut ECDC gibt es etwa 33 Millionen Fälle von RSV-Erkrankungen jährlich, 66.000 bis 199.000 Kinder unter fünf Jahren sterben daran. In der EU, Norwegen und Großbritannien kommt es zu 213.000 Hospitalisationen pro Jahr.“
Hohe Dunkelziffer
Ähnlich wie bei Influenza wird auch die Aktivität von RSV in Österreich zentral überwacht. Allerdings sind Diagnostik und Überwachung sowohl international als auch in Österreich im Vergleich zu Influenza noch im Aufbau. Dennoch wird bereits seit der ersten Novemberwoche eine epidemische RSV-Aktivität festgestellt, die jede Woche weiter zunimmt. Die Positivitätsrate der eingesendeten Proben liegt derzeit weit über 10 Prozent. Ab 10% spricht man von einer Epidemie, die beim Erreichen dieses Schwellenwertes vom Zentrum für Virologie an der MedUni Wien ausgerufen wird.
Mittlerweile weiß man, dass RSV auch bei Erwachsenen durchaus schwere Komplikationen und auch Todesfälle verursachen kann. Besonders bei Personen über 65. Durchschnittlich kommt es jährlich zu etwa 158.000 Hospitalisationen von Erwachsenen in der EU, Norwegen und Großbritannien.1 Daten aus Großbritannien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für Hospitalisierung oder Tod aufgrund von RSV bereits ab dem Alter von 50 Jahren massiv ansteigt. Das gilt besonders dann, wenn die Betroffenen noch weitere Risikofaktoren haben.
Passive Immunisierung für Risikobabys – Impfung in der Zielgeraden
Jede:r zehnte Erwachsene in Österreich ist von Diabetes betroffen. Erfreulicherweise konnten in diesem Bereich in den letzten Jahren schon viele Erfolge gefeiert werden. Dennoch bleiben Infektionskrankheiten wie Pneumokokken-Erkrankungen ein Problem. Einzige Schutzmöglichkeit: die vorbeugende Impfung. Die amerikanische CDC listet daher eine ganze Reihe von Gründen auf, warum sich Menschen mit Diabetes gegen Pneumokokken impfen lassen sollten. Dort heißt es, dass sogar Menschen mit einer gut kontrollierten Diabeteserkrankung Infektionen schlechter bekämpfen können, womit das Risiko für schwere Komplikationen und sogar Tod steige. Außerdem, so die CDC, könne der Blutzucker durch die Erkrankung in gefährliche Höhen steigen. Meilinger ergänzt: „Ein schlecht eingestellter Blutzucker erhöht die Komplikationen aufgrund einer Pneumokokken-Infektion noch mehr. Menschen mit Diabetes sollten daher auch zur Verbesserung ihrer Immunabwehr auf eine gute Blutzuckerkontrolle achten und sich unter anderem gegen Pneumokokken impfen lassen!“
Eine generelle Pneumokokken-Impfempfehlung – unabhängig von Vorerkrankungen – gibt es außerdem für alle Personen über 60 sowie für Kinder. Für letztere steht die Impfung im Rahmen des Kinderimpfprogramms gratis zur Verfügung.
Neben all den genannten Faktoren gibt es heuer noch einen weiteren guten Grund sich impfen zu lassen. Seit Kurzem sind nämlich in Österreich noch potentere, also stärker und breiter wirksame Konjugat-Impfstoffe, verfügbar. So ist ein lang anhaltender Schutz gegen noch mehr Pneumokokken-Serotypen als bisher möglich.
Influenza- und COVID-19-Impfung nützen
„Was man aber jetzt schon tun kann, ist, sich gegen Influenza und COVID-19 impfen zu lassen“, betont ÖVIH-Präsidentin Gallo-Daniel. „Auch das ist ein Beitrag dazu, nicht nur das eigene Risiko zu minimieren, sondern auch die Spitäler und das Gesundheitssystem vor Überlastung zu bewahren.“
Referenzen:
https://isanidad.com/wp-content/uploads/2022/12/Vaccines-Europe-pipeline-review-2022–1.pdf, zuletzt abgerufen am 12.12.2022
https://www.ecdc.europa.eu/en/news-events/rsv-virus-expected-add-pressure-hospitals-many-eueea-countries-season, zuletzt abgerufen am 08.12.2022
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_RSV.html#:~:text=%C3%BCber%20Monate%20ausscheiden.-,Klinische%20Symptomatik,zu%20einer%20deutlichen%20klinischen%20Symptomatik., zuletzt abgerufen am 09.12.2022
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Shi T, McAllister DA, O’Brien KL, Simoes EAF, Madhi SA, Gessner BD, u. a. Global, regional, and national disease burden estimates of acute lower respiratory infections due to respiratory syncytial virus in young children in 2015: a systematic review and modelling study. The Lancet. September 2017;390(10098):946–58.
https://www.virologie.meduniwien.ac.at/wissenschaft-forschung/virus-epidemiologie/rsv-netzwerk-oersn/, zuletzt abgerufen am 08.12.2022
Fleming, D.M., Taylor, R.J., Lustig, R.L. et al. Modelling estimates of the burden of Respiratory Syncytial virus infection in adults and the elderly in the United Kingdom. BMC Infect Dis 15, 443 (2015).
https://www.virologie.meduniwien.ac.at/wissenschaft-forschung/virus-epidemiologie/rsv-netzwerk-oersn/hintergrund-und-ziele/, zuletzt abgerufen am 08.12.2022
https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/h1689.htm zuletzt abgerufen am 12.12.2022
Rückfragehinweis:
Mag.a Uta Müller-Carstanjen
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