Wiederkehr mehrerer respiratorischer Erkrankungen erwartet
Impfen gegen COVID-19, Influenza, Pneumokokken und Keuchhusten schützt
Wien, 17. Oktober 2022. Der Winter 2022/23 könnte für das Gesundheitssystem und die Bevölkerung neue Herausforderungen bringen. Hat uns in den letzten Jahren fast ausschließlich COVID-19 beschäftigt, dürfte uns diesmal ein potenziell gefährlicher Mix aus mehreren respiratorischen Erkrankungen bevorstehen. Aufgrund der Hygienemaßnahmen der vergangenen Jahre und der damit einhergehenden geringeren Immunität der Bevölkerung müssen wir neben COVID-19 mit einer Influenza-Welle, einem verstärkten Wiederauftreten der Pneumokokken, aber auch mit Ausbrüchen von Keuchhusten und RSV rechnen. Impfungen können gegen diese Erkrankungen schützen. Am besten lässt man sich von seinem Hausarzt oder seiner Hausärztin beraten.
Influenza: Blick auf Australien lohnt sich
Wie jedes Jahr lohnt sich, was die Influenza betrifft, vor dem europäischen Winter ein Blick auf die Situation in Australien, auch wenn sich nur indirekt Lehren daraus ziehen lassen. Ähnlich wie bei uns sind in Australien die pandemiebedingten Hygienemaßnahmen vor dem Winter praktisch abgeschafft worden und die Grenzen wurden nach sehr langer Pause wieder geöffnet. „Die beiden Jahre davor hat Influenza praktisch keine Rolle gespielt, weswegen das Virus auf eine „untrainierte“ Population getroffen ist. Als Konsequenz hat die Influenzawelle 2022 in Australien sehr früh begonnen und ist verhältnismäßig stark ausgefallen“, erläutert Priv. Doz.in Dr.in Monika Redlberger-Fritz von der Virologie der MedUni Wien. Für Österreich bedeute das, dass man entsprechende Surveillance betreiben müsse, um abzuschätzen, ob die Saison bei uns ähnlich verlaufen wird.
Sie rät jedenfalls zur baldigen Impfung für alle. „Sinnvoll ist, die Influenza-Impfung im Oktober oder November durchführen zu lassen.“ Denn: „Sollte die Influenza-Epidemie in Österreich tatsächlich bereits vor Weihnachten beginnen, sind Geimpfte dennoch bereits gut gewappnet, da auch dann der Immunschutz schon aufgebaut ist.“
Influenza- oder COVID-19-Infektionen machen es Pneumokokken leichter
Influenza- und COVID-19-Infektionen sollte man auch deswegen vermeiden, weil sie den Boden für andere Infektionen, wie jene der Pneumokokken, bereiten, warnt Prof. Dr. Karl Zwiauer, Mitglied des Nationalen Impfgremiums. „Grundsätzlich sind zwei Altersgruppen besonders stark von Pneumokokken-Infektionen betroffen, erläutert Zwiauer. „Das sind einerseits die Säuglinge und Kleinkinder, vor allem jene im ersten Lebensjahr, und andererseits Personen über 65 Jahre.“
Registriert werden in Österreich allerdings nur die invasiven Pneumokokken-Erkrankungen, die auch tödlich verlaufen können. Wesentlich häufiger als die invasiven Erkrankungsformen treten bei Erwachsenen die klassischen Pneumokokken-Lungenentzündungen auf, für die unterschiedliche Pneumokokken-Serotypen verantwortlich sein können. 2021 wurden in Österreich 34 solcher Serotypen identifiziert . Die wichtigsten davon sind in den Impfstoffen enthalten. Erst heuer sind neue Impfstoffe auf den Markt gekommen, die noch mehr Serotypen als bisher enthalten.
Die Impfung wird vor allem älteren Personen (ab 60 Jahre) und Säuglingen beziehungsweise kleinen Kindern empfohlen, ebenso wie Personen mit Vorerkrankungen unabhängig vom Lebensalter.
Impfung auffrischen – Keuchhusten vermeiden
Auch der wie die Pneumokokken durch Bakterien verursachte Keuchhusten könnte diesen Winter vermehrt wiederkehren, wenn sich die Menschen wieder in Innenräumen aufhalten.
„Mit Keuchhusten verbinden die meisten eine klassische Kinderkrankheit“, berichtet Zwiauer. Bis zu einem gewissen Grad stimme das auch, allerdings habe es in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer mehr Fälle bei Jugendlichen und auch bei Senioren gegeben. Die stärkste Inzidenzzunahme wurde in letzter Zeit bei den 5–9‑Jährigen, gefolgt von den 15–19-Jährigen und den 40–49-Jährigen gesehen.
Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene mit Pertussis können wochenlang schweren Husten haben. Die Komplikationsrate kann bis zu zehn Prozent betragen.
„Zwar gibt es eine wirksame Impfung gegen Keuchhusten, allerdings lässt die Immunität nach einiger Zeit nach, weswegen regelmäßig aufgefrischt werden muss. Das gilt auch dann, wenn eine Infektion stattgefunden hat“, betont Zwiauer. Besonders wichtig sei die Auffrischungsimpfung zu Schulbeginn. „Durch die COVID-19-Pandemie ausgefallene (Schul-)Impfungen müssen daher dringend nachgeholt werden, damit es hier nicht zu einem noch weiteren Anstieg der Fallzahlen kommt“, so Zwiauer und betont: „Aber auch nach der Schule muss kontinuierlich weitergeimpft werden.“
RSV: Unterdiagnostiziert aber potenziell gefährlich
Jeweils vor der Influenza-Welle hat (in den Jahren vor der Pandemie) üblicherweise die RSV-Welle begonnen. Wie das dieses Jahr sein wird, bleibt abzuwarten. Bei Erwachsenen sind Infektionen mit dem Respiratorisches Synzytial-Virus bisher stark unterdiagnostiziert, die Dunkelziffer ist extrem hoch. Mittlerweile hat der Aufbau von Überwachungssystemen begonnen.
„Für Personen über 65 Jahre und jüngere Risikogruppen kann eine RSV-Infektion sehr gefährlich sein und zu erhöhten Raten von Hospitalisierung und Tod führen, insbesondere bei Personen mit chronischen Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder funktionellen Beeinträchtigungen“, erläutert Virologin Redlberger-Fritz. Daten aus Großbritannien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für Hospitalisierung oder Tod aufgrund von RSV bereits ab dem Alter von 50 Jahren massiv ansteigt, insbesondere dann, wenn die Betroffenen noch weitere Risikofaktoren haben. In manchen Saisonen sind dort sogar mehr Senioren an RSV als an Influenza gestorben.
Aktuell gibt es eine Antikörperprophylaxe für Frühgeborene und Kinder mit Herzfehlern, aber keinen Impfstoff gegen RSV. Es befinden sich allerdings mehrere Impfstoffkandidaten in klinischen Studien.
Um bestmöglich für den Winter gerüstet zu sein, empfehlen die Expert:innen sich jetzt darüber zu informieren, welche Impfungen für jede:n einzelne:n empfohlen sind und diese auf den aktuellen Stand zu bringen. Auch das Tragen von Masken kann aus ihrer Sicht in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein. Dadurch schütze man nicht nur sich selbst, sondern helfe mit, dem Gesundheitssystem das Aufeinanderprallen mehrerer Krankheitswellen zu ersparen und somit Ressourcenengpässe auch für andere Krankheiten zu verhindern.
Referenzen:
Pneumokokken-Jahresbericht 2021
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Pertussis.html;jsessionid=586BBF92760F70009AC46E9869C9EF20.internet121#doc2374534bodyText2, zuletzt abgerufen am 6. Oktober 2022.
Fleming, D.M., Taylor, R.J., Lustig, R.L. et al. Modelling estimates of the burden of Respiratory Syncytial virus infection in adults and the elderly in the United Kingdom. BMC Infect Dis 15, 443 (2015).
Rückfragehinweis:
Mag.a Uta Müller-Carstanjen
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